BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Fraktion BVV Pankow

Zur Zukunft des ruhender Verkehrs im Prenzlauer Berg

Vorbemerkung

Was wir in den letzten beiden Jahren Kommunalpolitik gelernt haben: Es macht keinen Sinn, die verschiedenen Verkehrsteilnehmer gegeneinander auszuspielen: Autobesitzer oder -nutzer, Fußgänger, Radfahrer, Kinderwagenschieber, Rollstuhlfahrer, Kinder, Senioren, Behinderte, Junge, Alte, Frauen, Männer usw. Vieles sind wir alle immer auch gemeinsam und auf einmal.

Daher müssen bisherige Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt und muss neu gewichtet werden, wenn es um die Nutzung des öffentlichen Raums geht. Und unter der Ebene „Wie wollen wir künftig leben“ beschäftigen wir uns ja sowieso nicht.

Letztlich geht es genau darum: Wie soll, wie kann künftig öffentlicher innerstädtischer Straßenraum genutzt werden? Was ist notwendig, um urbane Lebensqualität wie selbstverständlich mit innerstädtischer umweltfreundlicher – also grüner - Mobilität verknüpfen zu können?

Unübersehbar und für alle täglich erfahrbar, die sich im innerstädtischen Raum auf der Straße bewegen, ist die Tatsache, dass die Ordnung, die Sortierung, die Funktionszuweisungen, die Nutzungsvarianten des öffentlichen Raumes sich überschneiden, überlagern, aneinander reiben, mal mehr mal weniger heftig aufeinander prallen: keine Parkplätze -> ewiger Parksuchverkehr -> selbst die Kreuzungen zugeparkt -> gefährliche Situationen, weil man nicht gesehen wird -> enge Gehwege -> ausufernde Schankvorgärten -> man kommt kaum über die Straße... Das macht keinen Spaß!

Öffentlicher innerstädtischer Straßenraum ist begrenzt: Gehwege, wenn vorhanden Fahrradstreifen, Straßengrün, Straßenbäume, Fahrbahnen, Stellplätze für Kraftfahrzeuge und Fahrräder,  Straßenbeleuchtung, Verkehrsschilder, Werbung und technische Einrichtungen wie Telefonverteilerkästen brauchen und haben – wenn auch manchmal gerade nur so - ausreichend Platz.

Die Nutzungsinteressen am öffentlichen Straßenraum scheinen dagegen unendlich vielfältig zu sein.

Wie ist die Interessenlage?

Wenn wir urbane Lebensqualität auch mit Freiheit definieren, sich spontan, bequem und schnell und vor allem ungehindert und ohne Rücksicht nehmen zu müssen in der Stadt zu bewegen, prallen die Interessen verschiedener Verkehrsteilnehmer und Bewohner ungebremst aufeinander: Manche brauchen ein Auto beruflich und wollen abends müde einen Parkplatz in Wohnortnähe unkompliziert finden. Fußgänger wollen Platz auf dem Gehweg und ungehindert und vor allem sicher die Straßen queren, Radfahrer wollen ebenfalls schnell, sicher und komfortabel von A nach B, Eltern wollen sicher zu Spielplatz, der Einzelhändler seine Ware vor dem Geschäft aufstellen und der Gastronom so viel wie möglich Fläche für einen Schankvorgarten, den ja auch die Gäste schätzen. Die Ökos wollen viel Grün, der ADAC viele Stellplätze, der ADFC Radstreifen und der Anwohner kann sich schon gar nicht mehr vorstellen, wie die Straße ohne eng abgestelltes Blech aussieht.

Schon rein physikalisch kann es ausreichenden Parkplatz nicht geben: Ein normales Berliner Mietshaus 5 stöckig mit zwei Seitenflügeln und einem Hinterhaus hat durchschnittlich vielleicht 30 Wohnungen, also ca. 60 – 80 Bewohner. In Berlin liegt die Motorisierungsrate bei derzeit im europäischen Vergleich atemberaubend niedrigen 314 Autos auf 1000 Einwohner. 60 Bewohner x 0,314 ergeben knapp 19 Kfz. Ein Mietshaus hat in der Regel eine Gebäudebreite von ca. 25 m – 30 m. Das ergeben 5 – 6 Längsparkplätze oder 12 Querparkplätze vor dem Haus.

Das ist nicht unter einen Hut zu bekommen. Daher scheint es unstrittig zu sein, dass der ruhende Verkehr – gerade im Prenzlauer Berg – ein Problem ist. Ein Problem für alle im Übrigen, da mit der gegenwärtigen Situation niemand glücklich ist. Autofahrer nicht, Radfahrer nicht, Fußgänger nicht, Eltern nicht, Senioren nicht, Rollstuhlfahrer auch nicht und wir Grüne erst recht nicht.

In diesem Gesamtsystem muss also etwas passieren, weil es so nicht weitergehen kann.

Die Bestandteile innerstädtischer Mobilität müssen andere Stellenwerte, andere Gewichtungen bekommen. Die Zukunft innerstädtischer Mobilität liegt neben Verkehr vermeidender kluger – also grüner – Stadtplanung in der Ausweitung des Anteils für den Öffentlichen Personennahverkehr sowie in der Förderung des Radverkehrs. Hier hat sich die strategische Ausrichtung erkennbar in Richtung Verbesserung des Mobilitätskomforts und Erhöhung der Verkehrssicherheit entwickelt.

Mit der Förderung gemeinsamer Nutzung von Kfz (Fahrgemeinschaften, carsharing) und in den Einschränkungen bei der Bereitstellung öffentlichen Raumes für das Abstellen privater Kfz sind in den letzten Jahren zwei weitere Bausteine dazugekommen. Die Zeiten gehen offensichtlich zu Ende, wo für öffentliche kostenlose Parkplätze wie selbstverständlich Unmengen von Steuergeld und Stadtplatz aufgewendet werden.

Für den letzten Aspekt wiederum gibt es eine Reihe von Instrumenten. Die Bereitstellung von Fahrradabstellanlagen auf Kfz-Stellplätzen im Straßenland ist eine Methode zum fairen Ausgleich bei der Flächennutzung. Angebotsstreifen für Radfahrer erhöhen die Verkehrssicherheit, auch wenn es Parkplätze koste, und sind damit eine eindeutige Schwerpunktsverschiebung. Zeitlich befristetes Parken kann Geschäftsleuten und Anwohnern gleichermaßen nützen. Die Einführung von Anwohnerparkzonen könnte Entlastung bringen. Der Umbau ganzer Straßenkreuzungen fast flächendeckend erhöht die Verkehrssicherheit, erobert den öffentlichen Raum für andere Nutzungen zurück und verhindert - wie nebenbei- das die Kreuzungen zugeparkt werden. Und nicht zuletzt hat sich in den vergangenen Jahren weltweit ein System von Möglichkeiten zur Parkraumbewirtschaftung incl. Anwohnerparken als ein Instrument der Verkehrssteuerung (auch ruhender Verkehr ist Verkehr) entwickelt. Diese Artenvielfalt bildet die Grundlage für die Betrachtungen in unserem Bezirk.

Mit der im Januar 2008 vom Bezirksstadtrat für Öffentliche Ordnung beauftragten Machbarkeitsstudie für den ruhenden Verkehr im Prenzlauer Berg ist eine Wissens- und Entscheidungsbasis für diesen weiteren Baustein zur Verkehrsverringerung geschaffen.

Sie erinnern sich: So kann es nicht weitergehen. Mit der jetzigen Situation ist niemand glücklich. Die Zukunft innerstädtischer Mobilität ist nicht das Privat-Kfz. Aber es gibt die genannten Instrumente, die die städtische Lebensqualität neu sortieren und die Flächenverteilung wichten können. Komplex angewendet werden sie dazu beitragen, dass Stadt lebenswert bleibt und Straßenraum lebenswerter wird.

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Ausschussmitglieder der Fraktion

  • Almuth Tharan (Bezirksverordnete)
  • Cornelius Bechtler (Bezirksverordneter)
  • Andreas Brückner (Bürgerdeputierter)

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