BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Fraktion BVV Pankow

Kultur: Aussitzen führt in die Katastrophe!

von Stefanie Remlinger

Kurt Tucholsky Bibliothek


Vergleichsweise noch am undramatischsten stellt sich derzeit die Lage in der Kurt-Tucholsky-Bibliothek dar. Nachdem wir in der letzten BVV mit unserem gemeinsam mit der SPD gestellten Dringlichkeitsantrag „Kurt-Tucholsky-Bibliothek bleibt an VÖBB angeschlossen“ erfolgreich waren, konnte verhindert werden, dass die Bibliothek vom elektronischen Verleihsystem der öffentlichen Bibliotheken Berlins abgekoppelt und die Ehrenamtlichen demotiviert werden. Der Stadtrat hat angekündigt, eine/n hauptamtliche/n Mitarbeiter/in in die KTB zu entsenden bis die „Datenschutzprobleme“ gelöst sind.

Für eine vollständige Entwarnung ist es zwar zu früh. Dem Pro Kiez e.V. stehen weiter zähe Verhandlungen um die Details der Kompetenzverteilung bevor, und auch die langfristige Perspektive scheint erst gesichert, wenn eine gesetzliche Regelung für den Einsatz von Ehrenamtlichen in Bibliotheken gefunden ist. Dennoch sind wir froh über den Teilerfolg – und bleiben natürlich weiter dran.

Musikschule

Zwei Jahre lang haben Bezirksamt und Bezirksverordnetenversammlung darüber diskutiert, wie es mit der Grundschulentwicklung und v.a. dem Eliashof weiter gehen soll. Zwei Jahre, in denen es nicht gelungen ist, den Kulturbereich unter Dr. Nelken mit an den Tisch zu bekommen und zu überlegen, was aus den dort ansässigen Kulturprojekten und insbesondere auch aus der Musikschule werden soll, wenn der geplante Umzug der Filiale in der Pappelallee in den Eliashof nicht möglich sein sollte, weil dort wieder eine Grundschule einziehen wird. Ohne eine solch Alternativplanung geht der Stadtrat jetzt in die Haushaltsberatungen und sieht sich mit einer noch aufzulösenden Einsparvorgabe von rund 600 000 Euro konfrontiert.

So sehr die Zeit drängt – es darf jetzt keine Entscheidung übers Knie gebrochen werden. Die Musikschule hat es verdient, endlich eine mittel- und langfristige Perspektive aufgezeigt zu bekommen, und dies zu tun steht das Bezirksamt in der Verantwortung. VertreterInnen der Landeseltern- und der Lehrervertretung der Berliner Musikschulen, der Landesarbeitsgemeinschaft der Berliner Musikschulleiterinnen und -leiter und des Freundeskreis der Musikschule Béla Bartók e.V. haben  ein Spar-Moratorium für die Musikschule im Bezirk Pankow gefordert.

Wir unterstützen diese Forderung: Auf Landesebene arbeitet derzeit eine ExpertInnenkommission, die noch im Herbst Strukturempfehlungen für die Berliner Musikschulen machen soll. Diese wollen wir abwarten und die Zeit dafür nutzen, die Entwicklungsperspektive im Eliashof, in der Pappelallee sowie auch mögliche Globalalternativen, wie z.B. die Option Straßburger Straße, zu klären.

Kulturensemble Thälmannpark

Mindestens ebenso kontrovers wie die Auseinandersetzung um die Musikschule ist die um das Kulturareal im Thälmannpark. Dass sich hier mehrere Problemstränge vermengen, macht die Sache nicht leichter.

Grundsätzlich hätte die Diskussion um die Zukunft um das Kulturensemble schon im letzten Jahr beginnen müssen, als das Bezirksamt in seinem internen 19-Punkte-Programm zur strukturellen Sanierung des Bezirkshaushalts den Kulturstadtrat anwies, die Überführung in ein Treuhandmodell zu prüfen. Dies war ein klares Signal des Bezirksamts, hier zu einer Kostenentlastung kommen zu wollen. Der Punkt blieb jedoch von der Öffentlichkeit und auch den Betroffenen weitgehend unbeachtet, und tatsächlich hat der Stadtrat anscheinend weder mit Letzteren darüber gesprochen noch in diese Richtung etwas Erkennbares unternommen.

Was aber in diesem Kontext zu lesen ist, ist die Tatsache, dass sich das Kulturamt fürderhin mit einer Fortschreibung des Nutzungskonzepts für den Thälmannpark beschäftigte. Ein erster Entwurf hierfür liegt mittlerweile vor, der aber nicht als zukunftsfähig überzeugen konnte. Denn zum einen blieb das Papier bei einem reinen Aufzeigen der Stärken und Schwächen des Gesamtangebots auf dem Gelände stehen. Vorschläge, was etwa für eine bessere sozio-kulturelle Einbindung ins städtische Umfeld, eine stärkere konzeptionelle Verbindung der einzelnen Angebote und ein leichter vermittelbares Profil sorgen könnte, blieben Fehlanzeige. Der Nutzungskonzeptentwurf wies dafür aber einen enormen Sanierungsbedarf auf von erst einmal rund 6 Millionen Euro. Ein zweites Manko: das Nutzungskonzept spiegelt überhaupt nicht wider, dass die Zeit inzwischen weiter gegangen und eine neue Koordinate aufgetaucht war: Das Bezirksamt hat im März vor dem Hintergrund der Schülerzahlentwicklung die Rückumwandlung des Eliashof in eine Schule beschlossen und damit auch die Aufgabe, möglichst für die Kulturprojekte, die dort mittelfristig ausziehen müssen, ein neues Zuhause zu finden.

Um es klar zu sagen: aus meiner Sicht ist das Hinzukommen der Eliashof-Problematik für den Thälmannpark auch eine Chance, viel mehr als eine Bedrohung, auch wenn mir vollkommen klar ist, dass diese Sichtweise bei den Kulturschaffenden des Thälmannparks umgekehrt angekommen sein und schwer zu akzeptieren sein muss. In der von uns eingesetzten Projektgruppe wurde dies mehr als deutlich. Und die vielfach geäußerte Ablehnung ist für mich nachvollziehbar. Die neue Entwicklung um den Thälmannpark ging  für viele, die mit den anderen Debattensträngen nicht befasst waren, viel zu schnell. Nun verlangen wir von den derzeitigen AkteurInnen im Thälmannpark, sich  potenziell von Strukturen zu lösen, die über Jahre gewachsen sind, die sie zum Teil mit eigenem Engagement aufgebaut und in denen sie sich wohlgefühlt haben. Sich von Strukturen zu trennen, damit etwas Neues entsteht, erzeugt natürlich zumindest immer dann eine Gegenwehr, wenn die Veränderung nicht als Chance begriffen werden kann. Und das ist schwer in einer Situation, in der eine Seite in ihren Überlegungen und in ihrem Gedankenspiel für eine Lösung weiter ist als die andere Seite, die sich dementsprechend überfahren fühlt.

Ich werbe dennoch für eine optimistische, nach vorn gewandte Sichtweise des Prozesses, der in der Projektgruppe ausgehandelt wird. Hier sind alle Kulturprojekte sowohl des Thälmannparks als auch des Eliashofs vertreten und sie üben – zum Glück – einen enormen politischen Druck aus in Richtung Lösung der Probleme. Mit anderen Worten: Die schief gelaufene Schulentwicklungsplanung, der Eliashof und die Projektgruppe und also auch die Prüfung, wie viel Synergie aus Eliashof- und Thälmannparkprojekten hergestellt werden kann, sind der Grund, warum des jetzt gelungen ist, den Thälmannpark auf Platz Eins der Prioritäten-Anmeldeliste für das Förderprogramm Stadtumbau Ost zu setzen – und dies scheint derzeit der einzig realistische Weg, die Sanierung des Areals als Kulturareal bezahlen zu können. Nur deshalb konnten außerdem Sanierungsmittel für ein bauliches Gutachten frei gemacht werden (der Eliashof liegt im Sanierungsgebiet, der Thälmannpark nicht); und die Senatsverwaltung für Kultur hätte auch schwerlich, wie wir nun gehört haben, signalisiert, Mittel für die Erstellung eines überzeugenden kulturell-inhaltlichen Konzepts bereit stellen zu wollen, wenn es einfach um ein Weiter-So ginge. Nichts von alledem ohne den Druck auf Rot-Rot, die gemachten Fehler wieder gut zu machen.

All dies heißt nicht, dass es nicht ein für alle Seiten sehr anstrengender, schmerzhafter Prozess ist, den wir jetzt durchlaufen. Die passive Blockadehaltung des Stadtrats Dr. Nelken und seiner Linksfraktion sind aus unserer Sicht hier, gelinde gesagt, wenig hilfreich und weniger verzeihlich als die ein oder andere falsche Behauptung und aggressive Tonlage in der Auseinandersetzung vonseiten der Betroffenen. Aber dafür muss gewappnet sein, wer bei strukturellen Entscheidungen lieber inhaltlich-qualitativ statt mit dem Rasenmäher vorgeht und wer sich seiner Verantwortung für den ganzen Bezirk stellt. Ich darf in diesem Sinne für uns sagen: Unser Ziel ist, den Thälmannpark auch über diese Haushaltsberatungen hinaus als kulturelles Zentrum zu erhalten, seine Ausstrahlung und kulturell-künstlerische Bedeutung sogar noch zu erhöhen, um ihn umso resistenter gegen haushalterisch bedingte Anfechtungen zu machen. Und: es geht ganz sicher nicht darum, die Thälmannpark- und die Eliashof-Projekte einfach gegeneinander auszutauschen.

Ein Schelm, wer Anderes unterstellt.

Der Stadtrat

Dr. Nelken zeigt nicht nur bei dem letztgenannten Thema jedes Anzeichen von Hilfs- und Konzeptlosigkeit. Auf eigene Vorschläge warten wir in allen genannten Bereichen, ja wir warten seit über zwei Jahren auf die Fortschreibung des bezirklichen Kulturentwicklungsplans.

Diese umfassende Handlungsunfähig- oder -willigkeit wäre in guten Zeiten vielleicht nicht so schlimm, droht aber in unserem Bezirk mit seiner bekannt schwierigen Haushaltslage immer gravierendere Auswirkungen zu haben. Dieser Tage hat nun die Verantwortungslosigkeit einen neuen Höhepunkt erreicht: Wir halten jetzt den ersten Haushaltsentwurf des Bezirksamts in Händen. Auf den ersten Blick ist erkennbar, dass Dr. Nelken die Sparvorgaben des Eckwertbeschlusses für seinen Geschäftsbereich Kultur nicht umgesetzt hat. Was Unbedarfte für heldenhaftes Kulturmärtyrertum halten mögen, bedeutet genau das Gegenteil. Wie in der Vorlage zur Beschlussfassung des Bezirksamt (DS VI-0812) explizit zu lesen ist: „Die noch nicht untersetzten notwendigen Einsparungen werden gegenwärtig als pauschale Minderausgaben in das Kopfkapitel  des Geschäftsbereichs (3360) eingestellt. Bis diese mit entsprechenden Einsparungen untersetzt werden, bleiben alle Ausgabenansätze in den Kapiteln 3710, 3711, 3712, 3720, 3721 und 3723 gesperrt.“ Gesperrt ins neue Jahr würden also, ginge es nach dem Stadtrat, mindestens die Bereiche Bildung, Volkshochschule, Musikschule, Kultur, Kunst- und Kulturamt und Bibliotheken gehen.

Und bevor jetzt wieder das große rot-rote Lamentieren losgeht über die zu geringen Finanzzuweisungen der eigenen rot-roten Landesebene: Wie bei jeder Verhandlung gilt gerade hier und gerade für Dr. Nelken: die schlechteste Verhandlungsposition ist die, gar keine zu haben.

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