BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Fraktion BVV Pankow

Anlässlich der Städtepartnerschaft Pankow – Ashkelon: Kurze Notizen zu einer Reise nach Israel und die Palästinensischen Autonomiegebiete

von Stefan Schneider

Anfang der 90er Jahre kam die Städtepartnerschaft zwischen Weißensee und Ashkelon in Gang, als sich die Bürgermeister beider Städte, Gerd Schilling und Benny Vaknin (der, mit einer Unterbrechung von wenigen Jahren, noch immer Bürgermeister von Ashkelon ist) auf einer Internationalen Konferenz trafen. Doch schon wenige Jahre später kam dieses Projekt ins Stocken: Eine Reise Weißenseer Jugendlicher nach Ashkelon wurde kurzfristig abgesagt. Wohl zu unterschiedlich waren die jeweiligen Vorstellungen und Erwartungen an diesen Austausch. Als kurzfristiger "Ersatz" wurden Kontakte zu Schulen nach Tel Aviv hergestellt, eine Beziehung, unterstützt durch einen Mitarbeiter des Jugendamtes, die bis heute funktioniert.

Mit der Fusion der Bezirke Prenzlauer Berg, Weißensee und Pankow hat der neue Bezirk Pankow auch die im Prinzip ruhende Städtepartnerschaft mit Ashkelon geerbt. Es war die Initiative des gegenwärtigen Bezirksbürgermeisters Matthias Köhne, den Kontakt wieder aufzunehmen, und tatsächlich kam auch eine Antwort aus Israel, eine Delegation würde empfangen werden. Und so gab es mit dem Pankower Bezirksbürgermeister die Verabredung, dass er und eine Gruppe von Bezirksverordneten, darunter auch der BVV-Vorsteher, auf eigene Kosten parallel zu einem ohnehin geplanten Besuch einer Jugendgruppe in Tel Aviv eine Reise nach Israel unternehmen würde, um unter anderem auch wieder Kontakt zu Ashkelon herzustellen. Raketenbeschuss aus dem nahegelegenen Gazastreifen im Frühjahr diesen Jahres brachte die Stadt zudem in die Schlagzeilen.

Die etwa 60 km südlich von Tel Aviv gelegene Stadt am Mittelmeer wirkt auf den ersten Blick wie eine überdimensionierte Plattenbausiedlung, deren Schönheiten und Attraktionen sich erst bei genauerem Hinsehen erschließen. Dabei wird die Stadt bereits mehrfach in der Bibel erwähnt, und südlich der Stadt befindet sich am Meer ein archäologischer Park mit Ruinen antiker Siedlungen. Seit 1948 ist wird Ashkelon von jüdischen Einwanderern geprägt, hat heute mehr als 100.000 Einwohner und noch immer den Status einer Entwicklungsstadt, der mit zahlreichen Steuervergünstigungen für Investitionen verbunden ist. Der lange Sandstrand und die gute Verkehrsanbindung zu Tel Aviv machen Ashkelon überdies zu einem attraktiven Ferien- und Ausflugsziel für die Israelis.

Der Empfang der Pankower Delegation durch den Bürgermeister Ashkelons und einen kleinen Kreis wichtiger Mitarbeiter war freundlich interessiert. Fragen nach dem Verbleib von Weißensee und dem neuen Bezirk Pankow standen im Mittelpunkt, die Stadt Ashkelon und ihre Entwicklungsdynamik wurde vorgestellt. Bei einem gemeinsamen Mittagessen war die Frage, wie die Ashkeloner Stadtverwaltung ihre BürgerInnen vor Raketenangriffe schützen könne, ein sehr ernstes Thema. In wenigen Sekunden erreichbare Bunker ständen für alle BürgerInnen bereit, aber immer noch sei der bauliche Schutz einiger Kindergärten und Schulen ein ungelöstes Problem für Ashkelon, aber auch die Situation einiger durch die Bombenangriffe traumatisierter Kinder und Jugendlicher. Vom Pankower Bürgermeister wurde angeboten, die partnerschaftlichen Beziehungen durch eine Ausstellung in Ashkelon zu 20 Jahren Mauerfall wieder zu aktivieren, außerdem gäbe es Interesse einer Pankower Schule an einem Austausch. Eine kleine Rundfahrt durch die Stadt und ein Besuch des neuen Hafens standen am Ende des kurzen Besuchs. Ob die beiden Angebote zur Wiederbelebung der Städtepartnerschaft sich als tragfähig erweisen, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

Vermittelt duch die Heinrich-Böll-Stiftung, die in Tel Aviv und Ramallah jeweils eigene Büros betreibt, hatte ich als BündnisGrüner Teilnehmer der Pankower Reisegruppe auch noch Gelegenheit, die Palästinensischen Autonomiegebiete zu besuchen und an beiden Standorten Gespräche zu führen mit JournalistInnen, WissenschaftlerInnen, AnwältInnen und PolitikerInnen. Die Gesellschaft des Nahen Ostens ist wesentlich komplexer und differenzierter als es zunächst aus der europäischen Distanz erscheint, und als Teil eines globalen Prozesses hat auch im Nahen Osten die Kluft zwischen Arm und Reich seit den 90er Jahren extrem zugenommen, was als zunehmendes Problem diskutiert wird. Beherrschend ist aber nach wie vor der ungelöste Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, und trotz einer auf den ersten Blick entspannten Stimmung sind die obligatorischen Personen- und Gepäckkontrollen an Bahnhöfen und öffentlichen Gebäuden, die allgegenwärtige Präsenz von bewaffneten Personen, Hinweise auf eine grundsätzliche Anpannung, die den Alltag mit prägt. Und die Mauer zu den Autonomiegebieten Palästinas ist sicher nicht nur ein Schutz vor Selbstmordattentätern, wie mir wiederholt erklärt wurde, sondern auch Gegenstand von Wut und Frustration, die einem friedlichen Alltag entgegensteht. Auch die Situation um den Jerusalemer Tempelberg war in den wenigen Tagen meiner Anwesenheit durch die Rivalität unterschiedlicher religiöser Gruppen wiederholt spürbar angespannt. Nichtsdestotrotz habe ich mich jederzeit willkommen und sicher in dieser Region gefühlt und hatte den Eindruck, meine GesprächspartnerInnen immer alles fragen zu können.

Für den Aufbau und die Entwicklung weiterer partnerschaftlicher Beziehungen ist es sicher wichtig, sich klar zu machen, was uns voneinander unterscheidet. Wir auf der deutschen Seite haben – sofern wir politisch interessiert sind - ein grundsätzliches Interesse daran, mehr und genaueres über den Konflikt im Nahen Osten zu erfahren, und unsere Partner in Israel und den Palästinensischen Autonomiegebieten sind durchaus dankbar, wenn in ihrem Alltag dieser Konflikt auch mal für eine Zeit lang überhaupt keine Rolle spielt.

Kontakt und weitere Informationen:
Stefan Schneider, Bezirksverordneter

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